Romance-Scam - Das üble Spiel der Romantik-Betrüger
Aktualisiert am Donnerstag, 16. Februar 2017, 19:18 Uhr
Maria Kressbach
Skrupellose Liebesbetrüger nehmen ihre Opfer auf sozialen Online-Plattformen aus. Gegen die digitalen Heiratsschwindler wird wenig getan. Betroffene bezahlen viel Geld und landen schliesslich im finanziellen und seelischen Ruin. Ein Blick hinter die Fassaden der Täter und der Opfer.
Tastatur mit Herztaste und Bildern von attraktiven Menschen (Symbolbild). Bild in Lightbox öffnen.
Bildlegende: Die Romantikbetrüger schmücken ihre Online-Profile gezielt mit Traumfotos. Colourbox/Collage SRF
Betrüger gehen mit der Zeit. Sie nutzen gekonnt die neuen Medien und passen sich neuen sozialen Phänomenen an, zum Beispiel der Partnersuche im Internet. Sogenannte Romance-Scammer (Romantik- oder Liebesbetrüger) eröffnen auf sozialen Plattformen falsche Profile mit gestohlenen Bildern und umgarnen ihre Opfer wochenlang mit Liebesgeflüster. Nachdem sich die Opfer in die falschen Gesichter und schönen Worte verliebt haben, nachdem sie also gewissermassen gefügig gemacht wurden, geht es dann ans Eingemachte: Die Scammer verlangen Geld.
Auf Gratisplattformen wie Facebook, Tinder oder Badoo haben die Betrüger besonders leichtes Spiel. Kostenpflichtige Seiten wie Parship oder b2 haben Kontrollfilter eingeführt, doch auch da kann ein Romance-Scammer durch die Maschen rutschen.
1 Million Franken – und alles nur aus Liebe
Viele Opferberichte zeigen: Diese Betrugsmasche hat Erfolg. Auch in der Schweiz. Allerdings wird dem Romance-Scamming nach wie vor relativ wenig Beachtung geschenkt, Statistiken über Betrugsversuche oder Opfer existieren nicht. Ein grosses Problem: Die vermutlich enorme Dunkelziffer, da sich viele Opfer aus Scham nicht melden.
Die englische Universität Leicester schliesst in einer Studie von 2012 aus einer repräsentativen Umfrage, dass in einem Zeitraum von fünf Jahren beinahe 230’000 Briten solchen Romantikbetrügern zum Opfer fielen. Tendenz steigend. Gemäss SOCA (Serious Crime Agency) haben diese zwischen 50 und 800’000 Pfund (rund 1 Million Franken) an die Betrüger bezahlt. SRF sind zwei Fälle aus der Schweiz bekannt, die die Opfer nahe an den finanziellen Ruin brachten: Eine Betroffene bezahlte 80’000 Franken, beim zweiten Opfer lag der Betrag bereits im sechsstelligen Bereich. Frauen sind im Allgemeinen mehr betroffen als Männer.
Fotos von schönen Menschen und Charakterbeschreibung. Bild in Lightbox öffnen.
Bildlegende: Scammer geben sich bewusst als Traummann bzw. Traumfrau aus. Colourbox/Collage SRF
Aus Schwarz wird Weiss: Der grosse Bilderklau im Internet
Hinter dieser Betrugsmasche steckt einmal mehr die berüchtigte Nigeria-Connection. Die Betrüger arbeiten in organisierten Banden, geben vor, Amerikaner oder Engländer zu sein, sitzen aber tatsächlich in Nigeria oder Ghana. Mittlerweile gibt es aber überall auf der Welt viele Trittbrettfahrer, die dieses «Geschäftsmodell» ebenfalls betreiben.
Interessante Links:
Internetseite romancescam.com
Die Internetseite romancescam.com möchte den digitalen Heiratsschwindlern das Leben schwer machen. Unter anderem sammlen die Betreiber Scammer-Profile und veröffentlichen sie. Manchmal gelingt es der Webseite scheinbar, die wahren Gesichter hinter den Profilen mit falschen Fotos aufzudecken. Das sei möglich, weil einige Scammer unvorsichtig sind. Sie verwenden nämlich dieselbe E-Mail-Adresse, mit der sie mit ihren Opfern korrespondieren, auch als Kontakt auf ihren wirklichen Facebook- oder ähnlichen Profilen, schreiben die Betreiber der Webseite.
Auch wenn die Richtigkeit der Fotovergleiche nicht nachgeprüft werden kann, zeigt die Fotogalerie auf romancescam.com doch sehr schön, wer hinter gestohlenen Fotos und betörendem Liebesgeflüster stecken kann: Junge Männer und junge Frauen – meist dunkelhäutig – dabei machen sie keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern: Männer geben sich als Frauen aus, Frauen geben vor, Männer zu sein, etc.
Porträt einer schönen Frau. Bildergalerie in Lightbox öffnen.
Stellen Sie sich vor, Sie flirten über Wochen online mit dieser Frau und sie schenkt Ihnen ihr Herz. Collage Romancescam.com/SRF
Diesen Romance-Scammern habhaft zu werden ist äusserst schwierig. Denn sie sind darauf bedacht, ihre Spuren im Sand verlaufen zu lassen: Die IP-Adresse kann ausserhalb der EU kaum ermittelt werden, das Internetprofil ist gefälscht, die Handys sind oft mit unregistrierten Prepaid-Karten (zum Beispiel mit englischer Vorwahl) ausgestattet. Um das Geld der Opfer abzuholen – meist bei einem Geldtransfer-Service wie Westernunion – verwendensie gefälschte Ausweise oder senden Strohmänner. Ein weiteres Problem: Zur Verfolgung der Täter benötigen die Schweizer Behörden Rechtshilfe des entsprechenden Landes, doch meist ist man dort an einer Kooperation nicht interessiert.
Meister der Manipulation
Die Masche der Betrüger weist ein klares Muster auf. Laut Schweizerischer Kriminalprävention sind drei Stufen bekannt:
Liebes-Schmach in 3 Stufen:
Stufe 1: Manipulation der Gefühle
Wenn eine partnersuchende Person die Anfrage eines Scammers überhaupt schon mal als seriös einstuft, hat die Manipulation über die Fake-Profile bereits funktioniert. Die Betroffenen fühlen sich geschmeichelt. «Endlich finde auch ich mal einen tollen Partner, endlich findet mich das Glück, auf das ich so lange verzichten musste!». Die Betroffenen sehnen sich nach einem konkreten Treffen, auf das hin die Betrüger auch «arbeiten». Weibliche Scammer verlangen oft Geld für einen Flug in die Schweiz, den sie natürlich nie antreten. Männliche Betrüger verschieben ein Treffen gezielt. Beispielsweise müssen zuerst wichtige Geschäfte erledigt werden, Krankheiten und Unfälle oder Probleme mit der Justiz tauchen auf. Immer wieder schaltet sich dann auch der sogenannte Anwalt des oder der «Geliebten» ein – oft handelt es sich um dieselbe Person – und untermauert die prekäre Lage. Die Opfer werden bedrängt, Geld zu schicken, damit das Treffen doch stattfinden kann. Diese Phase kann sich Wochen oder sogar Monate hinziehen. Je länger die Abhängigkeit dauert, desto schwieriger wird es, argwöhnisch zu bleiben.
Stufe 2: Überzeugung mit falschen Fakten
Nicht oder nicht mehr zahlungswillige Opfer werden mit gefälschten Schreiben von angeblichen Polizei- und Justizbehörden weiter unter Druck gesetzt. Zum Beispiel schreibt ein falscher Interpol-Ermittler, man habe den Betrüger entlarvt und wolle dem Opfer das Geld zurückerstatten. Damit das Geld überwiesen werden könne, müsse es eine Vorauszahlung beim Zoll leisten. Und schon schnappt die Falle wieder zu. Die Opfer wollen in ihrer Enttäuschung wenigstens den finanziellen Schaden in Grenzen halten.
Stufe 3: Epressung mit intimen Bildern
Neuerdings machen die Romance-Scammer auch vor sogenannter «Sex-Tortion» nicht halt. Im Laufe des innigen und prickelnden Online-Flrits bringen sie ihre Opfer immer öfter dazu, intimes Bildmaterial zu senden. Sind die Betroffenen nicht willig zu zahlen, werden sie erpresst: «Zahlst Du nicht, veröffentlichen wir das Material.»
Quelle: Schweizerische Kriminalprävention / Studie Universität Leicester
Irrationale Schwindeleien machen oft nicht hellhörig
Weisser Mann präsentiert an einem See gefangene Fische. Bild in Lightbox öffnen.
Bildlegende: Das soll Thomas sein. Das Foto wurde von einer Dating-Plattform gestohlen, von einem Marc aus Kalifornien. zvg
Eine SRF-Redaktorin nahm vor rund einem Jahr mit einem solchen «Geliebten» Kontakt auf und gab sich als Freundin eines Scammer-Opfers aus. Dies in der Absicht, das verstrickte Opfer von einem Betrug zu überzeugen und die hinterlistige Vorgehensweise aufzuzeigen. Der angebliche Thomas Schneider aus England war erreichbar über eine Handy-Nummer mit Vorwahl der Arabischen Emirate. Er erzählte der Redaktorin frei heraus, dass er zurzeit im Gefängnis in Abu Dhabi sitze. Sehr verdächtig: Trotzdem konnte er mit seinem eigenen Handy telefonieren. Und er jammerte, wie schlecht er behandelt werde. Auch der Reporterin erklärte er, dass er 19’000 Euro benötige. Dies alles mit einem Akzent, der so gar nicht Englisch klingen will.
Dies alles vermochte das Opfer nicht zu überzeugen. Trotz aufkommender Zweifel hielt sie weiterhin am Glauben an diese «Liebe» fest. Und das ist typisch. In der Studie der Universität Leicester erklärten die Opfer, sie hätten während der Kommunikation immer den Mann oder die Frau auf dem (falschen) Profilbild vor sich gesehen. Und: Sie wollten nicht glauben, dass die grosse Liebe nur erfunden war und mussten den «Geliebten» oder die «Geliebte» einfach nur noch so schnell wie möglich sehen.
Auch Marianne R., über die «Kassensturz» berichtete, fühlte lange gleich:
«Endlich kommt etwas positives.»
«Er war so hartnäckig.»
«Ich hatte Zweifel.»
«Ich litt an Depressionen.»
Heute hat sie Ihren damaligen finanziellen Schaden wieder wett gemacht und den seelischen Schmerz glücklicherweise überwunden.
Wer ist besonders anfällig auf solche Betrügereien?
Lesen Sie dazu mehr im Interview mit der Kriminologin Chantal Billaud von der Schweizerischen Kriminalprävention.[/quote]
Romance-Scam Intelligenz schützt nicht vor Liebesbetrügern
Aktualisiert am Donnerstag, 16. Februar 2017, 19:18 Uhr
Ob jemand Opfer von Liebesbetrügern wird, hat nichts mit Intelligenz zu tun. Eine Kriminologin der Schweizerischen Kriminalprävention erklärt, wer anfällig auf solche Betrugsversuche ist. Und sie stellt düstere Prognosen: Die Betrüger erfinden immer neue Tricks und Maschen.
Bildlegende: Die Opfer erleiden nicht nur einen finanziellen Schaden. Viele fallen in eine tiefe Depression. Colourbox
«Wie kann man nur so dumm sein?», fragen sich wohl viele, die über solches Verhalten lesen. Fest steht: Mit mangelnder Intelligenz hat es wenig zu tun. «Vielmehr mangelt es den Opfern meist an Medienkompetenz», erklärt Chantal Billaud, Kriminologin bei der Schweizerischen Kriminalprävention. Sie führt regelmässig Beratungen durch und tauscht sich mit den Polizeikorps über solche Fälle aus.
SRF: Frau Billaud, sie sagen, die meisten Opfer sind nicht medienkompetent. Was heisst das genau?
Chantal Billaud: Oft werden Menschen zu Opfern, die zu blauäugig im Netz unterwegs sind. Sie kennen die grundlegende Funktionsweise des Internets zu wenig und wissen nicht, wie einfach und alle Arten von Informationen gefälscht werden können.
« Bei Romance-Scam gilt leider oft: Hungerndes Herz frisst Hirn. »
Ist nicht auch die Einsamkeit daran Schuld, dass Männer und Frauen all ihre Hoffnungen und Gefühle auf solche Flirts setzen?
Auch. Typische Opfer zeichnen sich durch ein grosses Bedürfnis nach emotionaler Zuwendung aus. Während man bei Opfern von Anlagebetrügern von «Gier frisst Hirn» spricht, muss man hier leider wohl sagen: «Hungerndes Herz frisst Hirn.»
Im Interview:
Chantal Billaud, Kriminologin und stellvertretende Direktorin bei der Schweizerischen Kriminalprävention.
Die Scammer scheinen wahre Meister der Manipulation zu sein. Wie schaffen sie es immer wieder, sich ihre Opfer hörig zu machen?
Das sind professionelle Liebesbeschwörer, die sich bestens darauf verstehen, zu flirten, zu umgarnen und den Opfern den Himmel auf Erden zu versprechen. Sie manipulieren die Gefühlswelt der Betroffenen, bis diese blind vor lauter Liebe werden.
Wo lernen die Scammer das? Sind es Naturtalente?
Betrugsbanden im Netz sind unterschiedlich professionell. Es gibt tatsächlich Hinweise, dass von solchen Banden so etwas wie interne Schulungen organisiert werden.
« Je mehr an Gefühlen und auch Geld investiert wurde, desto hartnäckiger will man daran glauben, dass es kein Betrug ist. »
Warum sind Opfer oft so uneinsichtig und wollen monatelang nichts von einem Betrug wissen?
Es gibt Opfer, die einfach zu überzeugt sind, endlich die grosse Liebe gefunden zu haben; der Wunsch nach einer Partnerschaft ist stärker als alle Fakten. Dazu kommt: Je mehr an Gefühlen und auch Geld investiert wurde, desto hartnäckiger will die Person daran glauben, dass es kein Betrug ist. Der emotionale und finanzielle Verlust wäre kaum zu verkraften. Die meisten Betroffenen sind aber sehr rasch einsichtig, sobald sie merken, wie der Betrug abläuft.
Sie sprechen nebst finanziellem auch von emotionalem Verlust. Womit haben Opfer vor allem zu kämpfen?
In erster Linie leiden sie unter dem Vertrauensbruch und an der Scham, so naiv und bedürftig gewesen zu sein. Aber es gibt auch Opfer, die eine solche Erfahrung gut wegstecken und uns lachend berichten, wie naiv sie gewesen seien und dass ihnen so etwas garantiert nicht mehr passieren wird.
« Es werden immer wieder neue Maschen und Tricks auftauchen. »
Neuere Fälle zeigen, die Betrüger schrecken auch nicht vor Erpressung zurück.
Ja, somit überlappen sich die Modi Operandi von Romance-Scam und Sextortion. Dies ist die letzte uns bekannte Manipulation, aber wir sind sicher, dass auch hierbei immer wieder neue Maschen und Tricks auftauchen, denn die Betrüger sind kreativ, innovativ, hartnäckig, geduldig, mit allen Wassern gewaschen und sehr bewandert im Umgang mit den Digitalen Medien.
Das Interview führte Maria Kressbach